Weiter Zurück Inhalt

11. Bildresultate und Zusammenfassung

Ein endgültiges Urteil kann man sich über eine Kamera erst bilden, wenn man nicht nur Bilder gesehen hat, die damit von anderen aufgenommen worden sind, sondern wenn man selbst mit der Kamera gearbeitet hat. Die Handhabung ist nach der Bildqualität der zweite Grund, sich für oder gegen eine Kamera zu entscheiden. Da bei Klappkameras keine einfache Empfehlung gegeben werden kann (Kaufen Sie Modell A! ist als Handlungsanweisung nicht unbedingt zielführend), bleibt nach Sichten aller zugänglichen Informationen nur das eigene Experiment.

11.1 Bildresultate

Um zu verdeutlichen, was mit Klappkameras bildnerisch möglich ist und welche Probleme auftreten können, erscheinen an dieser Stelle ein paar Beispielphotos. Da dem Autor kein Filmscanner für Rollfilm zugänglich ist, sind die Bilder einfach im Minilab auf 10x15cm vergrößert worden und dann mit einem Flachbettscanner gescant worden. Eine wirkliche Qualitätskontrolle ist nur anhand des Negativs oder des Diapositivs möglich, aber die hier aufgeführten Beispiele geben einen ersten Einblick.

Einfache und alte Kameras

Bewußt wurden die folgenden Bilder nicht nur mit einfachen Kameras gemacht, sondern auch noch beim Drogeriemarkt zu Entwicklung und Vergrößerung abgegeben. Die Bildqualität ist schon im Scan zweifelhaft, aber auch nicht schlechter als manches Bild einer modernen, technisch wertvollen Kleinbildkamera.

Pouva Start

Die Pouva Start ist eine Kamera mit Fixfokus-Objektiv, das außerdem sichtbar vignettiert, wie diese Aufnahme von Dessau leider deutlich zeigt. Dennoch lotet auch dieses Bild noch nicht die untere Grenze der Leistungsfähigkeit von Großlabors aus. Auch mit modernen Kameras sind mir bei Entwicklung und Vergrößerung im Großlabor schon schlechtere Bilder als dieses ausgehändigt worden.

Ihagee

Christian Zahn hat mit der Ihagee Diafilm belichtet, zu seinem Beispiel schreibt er:

Ein mit der Ihagee gemachtes Dia auf Fujia Astia findest Du [hier]. Kraftwerk "Hermann Wenzel" in Duisburg-Ruhrort, davor eine Autobrücke, darunter das alte Eisenbahnbassin, jetzt Yacht- und Freizeithafen.

Hongmei

Die Hongmei liefert bereits sichtbar bessere Resultate, wie diese Aufnahme der Schleuse im Berliner Tiergarten zeigt.

Agfa Box

Überraschend gut ist die Qualität der Agfa Box , wie dieses von Stefan Nützel zur Verfügung gestellte Bild zeigt.

Agfa Standard

Obwohl die Mechanik der Agfa Standard einen höchst vertrauenerweckenden Eindruck macht, ist leider die Qualität der Optik so schlecht, daß man mit dieser Kamera nicht sinnvoll arbeiten kann. Besonders die chromatische Aberration macht Probleme, wie an den Beispielen eines Schwarzweißbildes einer Kirche in Dahlem und im Kontrast dazu an einem Farbbild des Innenhofes des Zuse-Rechenzentrums deutlich wird.

Agfa Isola

Obwohl die Agfa Isola eine bereits zur damaligen Zeit einfache, wenn nicht auch wirklich preiswerte Kamera war, gelingen mit ihr sehr brauchbare Aufnahmen, so daß sie man sie für verschiedene Motivgrößen bequem einsetzen kann. Es muß allerdings nochmals darauf hingewiesen werden, daß die Agfa Isola I aufgrund ihres schlichten Objektivs bei weitem nicht an die Abbildungsleistungen der Agfa Isola heranreicht. Wie das Bild vom Rathaus Schöneberg zeigt, ist die Kamera für die klassische Reisephotographie ebenso geeignet wie für Aufnahmen im Nahbereich, wie dieses Stilleben im Biergarten zeigt. Auf dem Kaffeetisch liegt übrigens ein zweites, zu diesem Zeitpunkt gerade erstandenes Exemplar der Agfa Isola. Von der Minilab-Vergrößerung auf 15x15cm wurde ein mit 300dpi gescanter Ausschnitt ohne Nachbearbeitung angefertigt, wobei auch alle Automatiken des Scanners abgeschaltet wurden. Obwohl die Detailschärfe sicherlich nicht an heute Maßstäbe heranreicht, bleiben trotzdem genügend Details des Kaffeetisches erhalten.

Die für Kameras dieser Zeit übliche Gegenlichtempfindlichkeit demonstriert das ebenfalls mit der Agfa Isola gemachte, mittags entstandene Photo eines Auwalds im Gegenlicht.

Gehobene Kameras

Zeiss Nettar

Die Zeiss Nettar weist sich in Fertigungs- und Objektivqualität deutlich als bessere Kamera aus. Obwohl das Objektiv nur ein Dreilinser ist, lassen sich damit ansehnliche Ergebnisse erzielen, die für die meisten Zwecke völlig ausreichen dürften. Um die Schärfe des Objektivs zu demonstrieren, wurde von dem mit 300dpi gescannten großen Bild der Umspannwerk Leibnizstraße ein Ausschnitt in maximaler Scanner-Auflösung (600dpi, nicht interpoliert) gescant.

Belfoca

Die Belfoca ist konzeptuell eine Kopie der Zeiss Nettar und wartet auf dem Papier mit ähnlichen Daten (dreilinsiges Objektiv, Verschluß, etc.), muß aber in der Praxis sichtbar hinter dem Konkurrenten von Zeiss zurückstecken. Um die Schärfe des Objektivs zu demonstrieren, wurde von dem mit 300dpi gescannten großen Bild der Kleinen Hamburger Straße ein Ausschnitt in maximaler Scanner-Auflösung (600dpi, nicht interpoliert) gescant. Trotz der weitgehenden Vergleichbarkeit der Randbedingungen (gleiche Filmsorte, gleiche Verschlußzeit, ähnliches Licht, ähnliches Motiv, etc.) zeigt der gewählte Ausschnitt deutlich, daß die Auflösung des Meritars zu wünschen übrig läßt, was aber durchaus der Erwartungshaltung entspricht: Das Meritar erntet nicht immer die beste Kritik. Darüberhinaus zeigt das Bild rechts unten deutliche Spuren von Lichteinfall durch das rückseitige Filmfenster. Lichteinfall durch den Balgen hätte die Farbe des Umgebungslichtes, wäre hier also weiß, und erzeugt durch die Beschaffenheit der Lochkanten meistens kometenschweifähnliche Abbildungen punktförmiger Lichtquellen.

Ercona mit Zeiss Ikon Tessar

Die Ercona ist ein interessanter Nachbau der Zeiss Ikon Ikonta, mit gleich gelöster Verriegelungsmechanik, aber nicht ganz so stabil und sicher einrastenden Spreizen. Ausgestattet ist die hier verwendete Kamera mit einem Zeiss Tessar. Um die Schärfe des Objektivs zu demonstrieren, wurde von dem mit 300dpi gescannten großen Bild der Restaurant Peking ein Ausschnitt in maximaler Scanner-Auflösung (600dpi, nicht interpoliert) gescant.

Vergleichsaufnahmen Zeiss Tessar - Leitz Hektor - Nikon Nikkor

Zur besseren Anschaulichkeit habe ich vom selben Motiv (Bahnhof Ostkreuz) Aufnahmen mit drei verschiedenen Optiken ähnlicher Brennweite gemacht. Neben der hier vorgestellten Ercona mit Zeiss-Objektiv wurden ein Leitz Hektor 90mm an einer M2 sowie ein 105mm/2.5 an einer Nikon F301 verwendet. Das Leitz-Objektiv ist unvergütet und hat im Lauf der Zeit deutliche Gebrauchsspuren (und leider auch Putzspuren) davongetragen. Das Nikon-Objektiv und das Tessar der Ercona sind technisch in besserem Zustand als das Leitz-Objektiv.

Mit Rückenlicht, also der klassischen Empfehlung folgend, entsteht mit der Ercona die Referenzaufnahme. Zum Vergleich bietet das Leitz Hektor hier einen wesentlich schwächeren Kontrast, wohingegen auch das Nikon-Objektiv in diesem Einsatz (Papierbilder aus dem Minilab) keinen deutlichen Gewinn an Schärfe oder Kontrast bietet.

Noch deutlicher unterschieden sich die Objektive bei Streulichteinfall. Mit Licht von der Seite entsteht auch mit dem Ercona Tessar noch ein brauchbares Bild, aber die Aufnahme mit dem Leitz Hektor versinkt hinter einem kontrastarmen Schleier, der das ganze Bild überzieht. Die Aufnahme, die mit dem Nikon-Objektiv gemacht wurde, zeigt deutlich, daß die alte Klappkamera durchaus noch verwendbar ist, denn eine wesentliche Qualitätssteigerung ist auch hier nicht sichtbar.

Um wirkliche Aussagen über die Schärfe zu gewinnen, müßten die Filme eigentlich mit einem Filmscanner abgetastet werden, aber der erste Eindruck der Papierabzüge zeigt zumindest eine Richtung an, in der die verschiedenen Objektive einzuordnen sind.

11.2 Zusammenfassung

Die Vorteile der Klapp-Kameras liegen auf der Hand. Bei geringen Anfangsinvestitionen (gelegentlich ab 5 Euro, für wirklich brauchbare Kameras ab ca. 20 Euro) sind sie relativ klein und handlich und erlauben je nach Objektiv scharfe Aufnahmen. Von 6x6- und 6x9-Bildformat lassen sich oft Vergrößerungen zu den selben günstigen Preisen machen wie von KB.

Die Nachteile dürfen auch nicht verschwiegen werden: Der Balgen ist oft nicht lichtdicht, die Klappmechanik manchmal beschädigt. Einen Entfernungsmesser gibt es nur bei teuren Exemplaren, und manchmal hat man mit Verschluß und/oder Objektiv einfach Pech (aber dann gilt wieder der Vorteil der geringen Anfangsinvestition).

Dieter Oberle schreibt:

Ich betrachte solche Kameras mit gemischten Gefühlen.

In einer anderen persönlichen Stellungnahme schreibt Peter Müller:

Eigentlich lohnt sich ein Versuch mit 6x9 Klapp-Kameras nur mit Modellen nach dem II. Weltkrieg, nicht nur aufgrund der Vergütung der Objektive. Das Problem ist, daß Kameras mit hochwertigen Objektiven, z.B. Voigtländer Apo-Lanthar oder Heliar, zu entsprechenden Preisen gehandelt werden. Vierlinser, z.B. Color Skopar sind schon preiswerter. Ich besitze diese Kameras, aber ich muß für die Praxis feststellen, dass meine Agfa Record III mit dem Solinar-Objektiv die besten Ergebnisse bringt.

In einer anderen Stellungnahme schreibt Wilfried Pupke:

Habe vor kurzem, als es noch sonnig war, einen Klappkamera-Vergleichstest unternommen. Fairerweise die Sonne schräg von links hinten. Die Kandidaten: Alle Aufnahmen wurden "über den Dächern von Hamburg" (viele Fernsehantennen, Dachpfannen, Schornsteine, Sat-Schüsseln u.s.w.) fast zur gleichen Zeit (ein paar Sekunden für Kamerawechsel) vom Stativ auf Fuji Super G100 gemacht und im Fachlabor entwickelt (Blendenreihe von f11 bis f22, wobei je nach dem auf f16 oder f22 abgeblendet werden sollte). Anschließend die Negative zwischen zwei Glasscheiben (Planlage) mit 1600 dpi eingescannt (Software auf manuell eingestellt) und auf dem Bildschirm im Photoshop verglichen. Also, so wenig wie möglich unkontrollierbare Zwischenschritte. Ja, wie lautet das Ergebnis? Am schärfsten, aber kontrastarm da nicht vergütet, ist das AGFA-Anastigmat (!), gefolgt von dem Schneider Radionar - mindestens zwei dieser drei Linsen sind vergütet, auf Platz drei das Grandagon, was damals über 2000 DM !!! kostete und dann für die Softfotografie die Mockba. - Ich habe auch ein anderes Ergebnis erwartet. Mir ist bekannt, das der Vergleich nicht zulässig ist, weil es sich bei dem Grandagon um ein 8-linsiges Weitwinkelobjektiv handelt, aber etwas anderes stand mir gerade nicht zur Verfügung. Die neuen Grandagone mit dem "Apo" mögen sicherlich besser sein, denn damals waren eindeutig Nikon und Fuji führend, nur sie waren hier schlecht zu bekommen und deutlich teurer. - Japanische Produkte teurer als deutsche! Die Auswahl der Kameras war zufällig, die Mockba und Baldalux von Bekannten geliehen und die AGFA gehört meiner Freundin. Alle Kameras sind technisch und optisch im Bestzustand.

Brauchbare Bilder erzielt man am ehesten, wenn man nach den beschriebenen Qualitätsmerkmalen schaut (Objektiv, Verschluß), die Kamera gründlich testet (Probefilm) und bereit ist, ca. 50 Euro auszugeben. Darunter wird die Wahrscheinlichkeit eines vitrinenreifen Fehlkaufs einfach zu groß.

Hat man dann eine Kamera gefunden, mit der man zufrieden ist, hat man trotz der verständnislosen Blicke mancher Mitmenschen eine ausgezeichnete Reisekamera, mir der sich hervorragende Bilder aufnehmen lassen.


Weiter Zurück Inhalt