Weiter Zurück Inhalt

4. Bauprinzip der Klappkameras

Die Klappkameras bestehen im Prinzip aus einer Blechkiste mit Halterungen für die beiden Filmrollen. Zwischen den Filmrollen wird bei Nichtbenutzung und Transport das Objektiv samt Balgen untergebracht. Wird die Kamera aufgeklappt, so bildet der Schutzdeckel eine Art Laufboden und das Objektiv fährt auf die Brennweite heraus. Auf diese Weise lassen sich Kameras bauen, die im Transportzustand wenig größer sind als eine moderne VHS-Videokassette.


Die linke Kamera, ein einfaches Voigtländer-Modell, hat im Gegensatz zum Zeiss-Modell rechts nur ein relativ lichtschwaches Objektiv, das spürbar weniger Raum beansprucht als das Tessar der Zeiss-Kamera. Darüberhinaus ist die Zeiss-Kamera mit einer Auslöseverriegelung (weißer Aufbau rechts) ausgestattet.


Das Klappenscharnier ist bei 6x9-Kameras meistens seitlich angeschlagen, so daß sich die Kamera von vorne wie eine Tür öffnet. Bei 6x6-Kameras ist das Scharnier oft auch unten angeschlagen, so daß sich die Klappe wie eine Zugbrücke senkt.

Es wird unterschieden zwischen echten Laufbodenmechaniken, auf denen das Objektiv herausfährt (z.B. alte Agfa-Kameras, Voigtländer Inos) sowie Schwenkmechaniken, die das Objektiv auf Knopfdruck durch Federspannung automatisch in die richtige Position bringen (sog. Springcamera, Bezeichnung laut Zeiss Ikon-Bedienungsanleitung). Bei Laufbodenkameras wird die Entfernung meistens durch einen sog. Radialhebel auf einer Skala seitlich am Laufboden eingestellt, der den gesamten vorderen Teil der Laufschiene vor- oder zurückbewegt. In selteneren Fällen, etwa bei alten Agfa-Kameras, fährt die Objektivstandarte auf dem Laufboden in eine feste Position vor und rastet dort ein. Die Schärfe selbst wird dann am Objektiv eingestellt. Laufbodenkameras waren bautechnisch die unmittelbaren Nachfolger der Planfilm- und Plattenkameras und wurden etwa bis Anfang der 1930er Jahre gebaut, dann setzten sich die Springkameras durch. Technisch anspruchsvoll sind Kameras, bei denen der Spreizenmechanismus nicht fest einrastet, sondern zur Entfernungseinstellung verändert wird, wie bei der CertoSix.

Der Film wird von einer Rolle zur anderen meistens mit Hilfe eines Handrades transportiert; seltener finden sich Spannhebel wie an Kleinbildkameras. Der Filmtransport wird meist über Fenster kontrolliert, die eine Zahlenreihe auf dem Papierschutzstreifen des Films zeigen. Einige hochwertige Modelle haben einen Filmtransport mit Zählwerk, bei denen der Film über eine Ausgleichsmechanik jedesmal um eine bestimmte Länge vortransportiert wird (Rollfilm hat keine Perforation!). Wenn die Kamera ein umschaltbares Bildformat hat, so hat der Rücken der Kamera zwei Fenster, die in verschiedener Position liegen. Auf der Papierschicht des Films sind in entsprechender Lage die Bildnummern für das jeweilige Format aufgedruckt. Bei Format 6x9 bekommt man 8 Bilder auf einen Film, bei 6x6 12 Bilder, bei 6x4,5 16 Bilder. Man sollte beim Gebrauchtkauf darauf achten, daß sich eine Leerspule in der Kamera befindet.

Die Fenster sind mit dunkelrotem Zellophan gegen allzu kräftigen Tageslichteinfall abgeschirmt; in einer Zeiss-Bedienungseinleitung heißt es hierzu:

Das Filmfenster im Camerarücken ist so gesichert, daß man auch panchromatische Filme unbedenklich in den Apparat einsetzen kann.


Die linke Kamera, ein einfaches Voigtländer Besssa-Modell, stellt im Gegensatz zum Zeiss-Modell rechts nur ein Bildformat bereit; sowohl bei der Voigtländer Bessa (innenliegende Schwenkblende, über Drehknopf zu betätigen) als auch bei der Zeiss-Kamera (außenliegender Blechschieber) lassen sich die Filmfenster abdecken, was jedoch nicht bei allen Kameramodellen der Fall ist.


Bei guten Kameras sind diese Filmfenster durch einen Schieber gegen weiteren Lichteinfall gesichert, so daß ohne Bedenken auch hochempfindliche Farbfilme in die Kamera eingelegt werden können. Fehlt dieser Schieber oder steht er über längere Zeit offen, so lassen sich auf Farbfilm oft rötliche Schleier im Bild wahrnehmen.

Bessere Modelle verfügen außerdem über eine Merkscheibe für die eingelegte Filmart und -empfindlichkeit.


Zu den Ausstattungsmerkmalen typischer Klappkameras gehört neben der Stativschraubenaufnahme im Boden auch eine weitere Aufnahme in der Klappe. Oft findet sich dort auch, wie hier an einer Belfoca gezeigt, eine kleine ausklappbare Stütze, so daß die Kamera ohne Stativ auf einer ebenen Fläche abgestellt werden kann.


Nach dem II. Weltkrieg nahm die Zahl der Klappkameras rasch ab. Sie verkörperten bald nicht mehr die technologische Spitze des Kamerabaus. Die erwachende Leistungsfähigkeit des KB-Formats sowie immer preiswertere Möglichkeiten, Bilder zu vergrößern, machten aus ökonomischer Sicht dann auch den Kontaktabzug 6x9 als Bild der Wahl überflüssig.

Abweichend vom Faltbalgen war bei einer kleineren Zahl von Kameras auch das Schraubtubus-Prinzip verbreitet. Hier wird das Objektiv nicht auf einer Standarte geschwenkt, sondern sitzt auf einem Tubus mit steilem Gewindegang oder Rastung, so daß mit einer Umdrehung der Auszug auf die nötigen 75mm bis 80mm eingestellt werden kann. Die Scharfeinstellung, sofern vorhanden, erfolgt aber nicht über den Tubus, sondern über eine zusätzliche Einstellmöglichkeit an der vorderen Linsengruppe des Objektivs.

4.1 Film und Bildformate

Worauf beim Kauf zu achten ist: Die meisten Klappkameras wurden für die Verwendung mit 120er Rollfilm gebaut. Die allermeisten Kameras dieser Kategorie sind für das 6x6- (quadratisch) oder das 6x9-Format (gleiches Seitenverältnis wie KB) gebaut; manche Kameras erlauben durch Einlegen von Masken oder Einschwenken von Blenden die Verkleinerung des Bildformates. 6x6-Kameras bieten so wahlweise noch ein 6x4,5-Format (hochkant) an, und 6x9-Kameras lassen sich so als 6x6-Kameras nutzen. Selten findet sich auch, daß das Format von 6x9 auf 6x4,5 halbiert wird, wie bei der Beier Beirax . Außerdem sind einige wenige Modelle auch für 4x4 (auf 120er Rollfilm) geeignet. In diesen Fällen bietet der Sucher auch entsprechende Orientierungshilfen.


Rollfilme werden auf Spulen gewickelt und in Papier eingeklebt verkauft. Die Dose eines Kleinbildfilms dient zum Größenvergleich.


Leider fehlen bei fast allen Gebrauchtkameras die Einlegemasken. Hier ist man dann auf Selberbasteln (aus dünnem Blech oder Karton) angewiesen.

Empfehlenswert ist das 6x9-Format, obwohl dann nur acht Aufnahmen mit einem Film möglich sind. Sollte die Randschärfe des Objektivs ausreichend sein, dann kann man hervorragende Abzüge machen; sollte sie nicht ausreichend sein, kann man immer noch den mittleren Teil des Bildes nutzen. Allerdings sind Vergrößerer für das 6x9-Format recht selten zu finden. 6x6, 6x4.5 und 4x4 eignen sich auch für Dias. Hier sind Rahmen leicht erhältlich und gebrauchte Projektoren zumindest nicht astronomisch teuer.

Erich Kremer schrieb dazu:

Diese 6x9 Faltbalgkameras von vor dem Krieg waren nicht für Vergrösserungen gedacht, sondern für Abzüge (Kontakte) und da war die Optik entsprechend dürftig berechnet. Wenn ich mit meiner 6x9 arbeite, kalkuliere ich immer die Unschärfe in den Ecken ein und beschränke mich dann beim Vergrössern auf 6x7 bis 6x8, dann ist es scharf.

Bis in die 30er Jahre gab es noch eine Reihe anderer Rollfilmformate, die aber allesamt so gut wie nicht mehr erhältich sind. Teilweise weichen sie in der Breite ab, teilweise finden nur andere Spulen Verwendung. Daher gilt es beim Erwerb ganz alter Rollfilmkameras sicherzustellen, daß 120er Filme passen.

Historische Filmfabrikate

Klassische Filme waren z.B. Agfa Isopan, Voigtländer Illustra und Bessapan, Zeiss Ikon Contapan sowie Zeiss Ikon Panchrom und Orthochrom. Alle genannten Filme sind Schwarzweißfilme. Der Namensbestandteil chrom weist nur darauf hin, daß diese Filme für alle Farben (Pan-) oder einen Teil der Farben (Ortho, gr. recht) so sensibilisiert sind, daß nach der Umsetzung in Schwarzweiß noch ein natürlicher Helligkeitseindruck erhalten bleibt. Ein panchromatischer Film stellt eine hellrote Blume hell dar, aber ein orthochromatischer Film stellt die gleiche Blume dunkelgrau bis schwarz dar.

4.2 Das Objektiv

Worauf beim Kauf zu achten ist: Objektive müssen klar, kratzerfrei und ihre Entfernungseinstellung beweglich sein wie bei allen anderen Kameras auch. Die Vergütung (sofern vorhanden) sollte unbeschädigt sein, d.h. keine hellen Reflexionsflecken, eingefressene Fettflecken oder Pilzbewuchs (feine dendritenartige Gebilde) aufweisen.

Das Herzstück jeder Kamera ist das Objektiv. Die meisten Objektive für Klappkameras sind entweder Dreilinser oder Vierlinser; selten und teuer sind noch bessere Objektive. Wenn die Brennweite in Millimetern (z.B. 105mm) statt in Zentimetern (z.B. 10,5cm) angegeben ist, hält man mit gewisser Wahrscheinlichkeit ein Nachkriegsmodell in den Händen.

Idealerweise sollte das Objektiv (mehrfach) vergütet sein, was allerdings nur bei den besseren Nachkriegsmodellen der Fall ist. Auch bei vergüteten Linsen empfiehlt sich immer sehr der Einsatz einer Streulichtblende, die allerdings selten erhältlich ist. Sehr oft ist nur die vordere oder hintere Linsengruppe vergütet (sog. Teilvergütung), aber auch dies ist bereits vorteilhaft.

Brennweite und Blende

Die Brennweite ist vom Bildformat abhängig. 6x6-Kameras haben meistens ein 75mm- oder 80mm-Objektiv, 6x9-Kameras oft ein 105mm-Objektiv.

Zu beachten ist, daß man sich mit 105mm Brennweite bei normalen Personenaufnahmen bereits in den Nahbereich der Objektive wagt; während man mit einem KB-Objektiv nach eine gewisse Reserve in der Tiefenschärfe hat, gilt dies hier nicht mehr, und viele Enttäuschungen kann man vermeiden, wenn man einen separaten Entfernungsmesser bzw. eine Kamera mit eingebautem Entfernungsmesser (selten, groß und teuer, z.B. Zeiss Super Ikonta oder Moskwa-Modelle, de facto Nachbauten der Zeiss) benutzt.

Die kürzesten anzutreffenden Brennweiten sind 75mm für 6x6- und 6x4,5-Kameras. Das Problem bei kurzen Brennweiten sind die großen Bildwinkel und die im Verhältnis zur Brennweite größeren Bildkreise. Die Leistung der normalen Dreilinser läßt bei voller Öffnung an den Rändern reichlich nach --- größere Bildwinkel und Bildkreise wären damit kaum realisierbar gewesen. Vorkriegsobjektive haben meist Lichtstärken bis 1:6.3 oder 1:4.5. Ab Anfang der 1950er Jahre konnte mit neuen Glassorten die Korrektur der Objektive verbessert und damit die Lichtstärke erhöht werden, bis auf 1:3.5 bei Dreilinsern und 1:2.8 bei Vierlinsern. Die meisten Dreilinser sollten nur abgeblendet (1:8 bis 1:11) benutzt werden. Die meisten Objektive lassen sich auf 1:22 oder 1:32 abblenden, seltener findet man auch 1:45.

Vorkriegsobjektive tragen manchmal noch die alte Blendenreihe: 6.3 - 9 - 13 - 18 usw. Da moderne Belichtungsmesser die heute übliche Blendenskala haben, muß man sich folgendermaßen behelfen: Am Belichtungsmesser wird die Filmempfindlichkeit 1/3 Stufe niedriger eingestellt (z.B. 64ASA statt 100ASA). Statt der angezeigten Blende wird der nächsthöhere, passendste Wert an der Kamera eingestellt. Beispiel: Angezeigt wird Blende 11, eingestellt wird an der Kamera statt dessen Blende 13. Statt der Umrechnung kann man sich auch auf den Belichtungsspielraum moderner Farbfilme verlassen, Belichtungstafeln (von Agfa oder nach Dr. Max Leo) konsultieren, sich nach den Angaben auf dem Inneren von Filmpackungen richten oder den Belichtungsrechner nach Dr. Max Leo bemühen.

Der Objektivtyp

Vierlinsige Objektive erlauben eine bessere Korrektur der Linsenfehler und sind daher fast immer besser als die Standard-Dreilinser. Dreilinser sind z.B: Voigtländer Voigtar / Vaskar , Agfa Agnar und Apotar , Schneider Radionar, Ludwig Meritar, Ludwig Meritar, (an Vorkriegskameras und DDR-Kameras der 50er Jahre; Achtung: das Meritar hat einen schlechten Ruf), Meyer Trioplan, Rodenstock Trinar und Zeiss Triotar, sowie alle mit Anastigmat bezeichneten Objektive nebst einer Menge Objektive kleinerer Hersteller mit div. Bezeichnungen.

Die Vierlinser heißen Tessar (Zeiss), Xenar (Schneider), Solinar oder Oppar (Agfa), Primotar (Meyer), Anticomar (Plaubel); auch die Kameras Moskwa-2 und Moskwa-5 sollen Vierlinser haben.

Fünflinsige Objektive (Heliar, Apo-Lanthar) gab es nur bei Voigtländer. Diese Kameras waren damals sehr teuer und nur für wenige erschwinglich. Entsprechend selten und teuer sind sie heute.

Die Objektive ab Mitte der 50er Jahre konnten mit neuen Glassorten besser korrigiert werden. Das Agfa Apotar z.B. soll deutlich besser sein als der Vorgängertyp Agnar , da das Apotar in den 50er Jahren neu konstruiert wurde. Auch das Zeiss-Tessar wurde 1947 (Zeiss-West) bzw. 1953 (Zeiss-Ost) neu berechnet, so daß Lichtstärken bis 1:2.8 möglich wurden.

Fokussierung und Entfernungseinstellung

Worauf beim Kauf zu achten ist: Die Entfernungseinstellung sollte nicht schwergängig oder gar blockiert sein. Genausowenig darf die Standarte (bei Standartenverstellung) oder der Metergang (bei Schraubverstellung am Objektiv) allzuviel Spiel haben, da sich dies negativ auf die zu erreichende Bildschärfe auswirkt.

Die Entfernung wird bei den echten Laufbodenkameras durch Verschieben des Objektivs (bzw. der Schiene, auf der es sitzt) eingestellt. Bei Springkameras wird die Entfernung durch einen Schneckengang am Objektiv eingestellt. Fast immer wird nur die Frontlinse verstellt. Das ermöglicht kurze Einstellwege (die Frontlinse muß sich nur wenige mm bewegen), verschlechtert jedoch die optischen Eigenschaften im Nahbereich. Dieser ist ohnehin meist auf 1.5m beschränkt.

Sonderkonstruktionen gibt es bei der japanischen Mamiya Six, bei der die Filmbühne im Gehäuse vor- und zurückbewegt wird, und bei der DDR-Certo Six, bei der das gesamte Objektiv über den Spreizenmechanismus vor- und zurückgeschoben wird. Solche Modelle sind oft durch die Schärfentiefeskala am Gehäuse zu erkennen. Bei einigen alten Agfa-Modellen mit Laufboden (Agfa Standard) wird das Objektiv über einen Schneckengang mit seitlich liegendem Hebel betätigt.

Für eine genaue Entfernungseinstellung gibt es bei einigen Kameras eingebaute Entfernungsmesser (z.B. bei der Agfa Isolette III) oder sogar mit dem Objektiv gekuppelte Meßsucher, etwa der Zeiss Super Ikonta C. Bei Voigtländer erfolgt die Entfernungseinstellung außerdem über ein Einstellrad am Gehäuse, nicht am Objektiv.

In jedem Fall empfiehlt sich im Nahbereich (alles unter 5m) die Verwendung eines Entfernungsmessers. Sollte dieser nicht vorhanden sein, kann man sich auch an Schärfetiefetabellen von Agfa, Perfekta oder Zeiss orientieren.

Die Vergütung

Eine Vergütung (als solcher sichtbar und daher auch mit dem anschaulichen Wort Blaubelag bezeichnet) der Linsen zur Reflexminderung und Kontrasterhöhung gab es erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Es wurde jedoch mehrfach berichtet, daß man auch mit unvergüteten Objektiven kontrastreiche Aufnahmen machen kann, insbesondere, wenn man stets eine Streulichtblende verwendet. Die Vergütungen aus den frühen 1950er Jahren entsprechen noch nicht heutigen Maßstäben, es sind noch deutliche Reflektionen an den Linsenoberflächen zu sehen. Bei einfachen Objektiven ist auch manchmal nur die Frontlinse vergütet.

4.3 Der Verschluß

Worauf beim Kauf zu achten ist: Der Verschluß sollte gleichmäßig auslösen. Bei älteren Modellen sind oft die Verschlußlamellen oder das Hemmwerk verklebt, so daß besonders die langen Zeiten oft hängen.

Neben dem Objektiv entscheidet der Verschluß über die Güte des erzielten Bildes, da die erreichbare Bildqualität in hohem Maße von der Belichtungszeitenkonstanz des Verschlusses abhängt. Die Verschlüsse älterer Klappkameras weisen meistens die sog. Deutsche Zeitenreihe (s.u.) auf, sind oft selbstspannend und bieten häufig nur wenige Zeiten zur Auswahl. Eine Besonderheit vieler Klappkameras ist es außerdem, daß die Kamerahersteller Objektive und Verschlüsse für ihre verschiedenen Kameramodelle frei kombinierten und man daher heute von der Nennung des Kameraherstellers allein noch keinerlei Anhaltspunkt für die Eigenschaften des Verschlusses hat, wenn man nicht seine exakten Daten (Hersteller, Zeiten, Art der Spannung etc.) erfahren kann.

Die Deutsche Verschlußzeitenreihe

Alle Klappkameras haben meist noch die alte oder deutsche Verschlußzeitenreihe. Als die heute verwendeten Verschlußzeiten eingeführt wurden, wurden so gut wie keine Klappkameras mehr gebaut.

T B 1 1/2 1/5 1/10 1/25 1/50 1/100 1/150 (oder 1/175 oder 1/200 oder 1/250 oder 1/300)

Viele einfache Verschlüsse haben nur die Zeiten 1/25 und kürzer. Die schnellste Verschlußzeit ist je nach Verschlußtyp und -baugröße verschieden und liegt bei 1/175 bis 1/300. T bedeutet: Verschluß öffnet beim ersten Auslösen und schließt erst bei nochmaligem Auslösen.

Typische Verschlußzeitenreihen verschiedener Kameramodelle sind:

Agfa

T B 100 50 25 10 5 2

Compur

T B 1 2 5 10 25 50 100 250

Compur (Voigtländer Bessa 46)

T B 1 2 5 10 25 50 100 300

Compur Rapid

T B 1 2 5 10 25 50 100 200 400

Compur Rapid (Voigtländer Brillant V6)

T B 1 2 5 10 25 50 100 250 500

Derwal

T B 100 50 25

Klio

T B 150 100 50 25 10 5 2 1

Klio

T B 175 100 50 25 10 5 2 1

Pronto

B 25 50 100 200

Prontor II

B 1 2 5 10 25 50 100 175

Prontor-S

B 1 2 5 10 25 50 100 250

Prontor-SVS

B 1 2 5 10 25 50 100 300

Singlo (Voigtländer)

T B 75 25

Singlo-2 (Agfa)

B 100 30

Telma

T B 125 100 50 25

Tempor

250 100 50 25 10 5 2 1 B

Zeiss Ikon Ikonta (alt)

B 100 50 25

Vario

B 25 50 200

Klio-Verschlüsse bieten zwei unterschiedliche Maximalgeschwindigkeiten, die abhängig von der größten Öffnung des eingebauten Objektivs sind: Bei Objektiven mit einer Öffnung von 1:4,5 ist die Höchstgeschwindigkeit 1/150 sec, bei Objektiven mit einer Öffnung von 1:6,3 ist die Höchstgeschwindigkeit 1/175 sec.

Der Singlo-2-Verschluß der Agfa Isola bietet eine deutsche Zeit (1/100 sec) sowie eine nach dem internationalen System ausgelegte Zeit (1/30 sec statt 1/25 sec).

Bei der alten Zeitenreihe ist das Verhältnis der Verschlußzeiten nicht immer genau 1:2, d.h., eine Verschlußzeitenstufe entspricht nicht immer genau einer Blendenstufe. Außerdem haben alle modernen Handbelichtungsmesser die heutige Zeitenreihe. Man kann sich bei der Belichtungseinstellung behelfen, indem man entsprechend der nächstliegenden Verschlußzeit etwas knapper oder reichlicher belichtet. Beispiel: Belichtungsmesser-Anzeige für 1/60, an der Kamera 1/50 einstellen und etwas knapper als angezeigt belichten. Belichtungsmesser-Anzeige für 1/8, an der Kamera 1/10 einstellen und etwas reichlicher belichten. Bei der Verwendung moderner Farbfilme spielen diese kleinen Unterschiede fast keine Rolle, da das Ergebnis der fertigen Bilder in höchstem Maße von der Tagesform des Labors abhängt. Man kann sich aber auch an den Belichtungstabellen alter Kameras orientieren, eine Tafel z.B. nach Dr. Max Leo) konsultieren oder sich gleich auf den Belichtungsspielraum moderner Farbfilme verlassen.

Alternativ ist es natürlich auch möglich, die exakten EV-Werte auszurechnen:


                1/175s  = EV 7,45       f/3,5 = EV 3,61
                1/100s  = EV 6,64       f/4,0 = EV 4
                1/50s   = EV 5,64       f/4,5 = EV 4,34
                1/25s   = EV 4,64       f/5,6 = EV 5
                1/10s   = EV 3,32       f/8   = EV 6
                1/5s    = EV 2,32       f/11  = EV 7
                1/2s    = EV 1          f/16  = EV 8
                1s      = EV 0
                

Bautypen alter Verschlüsse

An Vorkriegskameras gab es eine ganze Reihe unterschiedlicher Verschlußtypen, oft mit nur 2 oder 3 unterschiedlichen Verschlußzeiten.

Alle Verschlüsse werden über ein Hebelchen direkt am Objektiv gespannt (sofern nicht selbstspannend). Ausgelöst werden sie bei einfachen Modellen über ein zweites Hebelchen, bei etwas besseren über einen Auslöseknopf am Gehäuse. Man findet daher bis zu vier Hebelchen rings um den Verschluß: Spannhebel, Auslöser, evtl. Spannhebel für den Selbstauslöser und Einstellhebel für Blitzkontakt, s. übernächster Absatz).

Einige einfache Verschlüsse (Junior, Vorkriegs-Vario mit Radeinstellung) sind selbstspannend, d.h. sie müssen nicht extra gespannt werden. Der Junior-Verschluß ist jedoch recht unzuverlässig (nach W. Büchsenschütz selbstspannend, aber nicht immer selbstschließend; nur bei einfachen DDR-Kameras zu finden). Verschlüsse mit Luftdruckverzögerung (mit ein oder zwei kleinen Röhrchen am Verschluß) findet man nur bei sehr alten Kameras. Sie sind kaum noch zu reparieren, wenn sie defekt sind.

Bei allen älteren Verschlüssen rasten die Einstellungen zwar nicht ein, es ist aber dennoch nicht möglich, Zwischenwerte einzustellen! Die Zeitenskala sollte immer genau auf die Markierung eingestellt werden, da sich sonst Zufallszeiten ergeben können.

Compur-Verschlüsse mit Außenringeinstellung und sollte man nur im nicht gespannten Zustand auf die schnellste Verschlußzeit (je nach Bauart 1/250 bis 1/500) einstellen, alle anderen Zeiten lassen sich beliebig einstellen. Das gilt nicht für die neueren Synchro-Compur-Verschlüsse.

Das Problem mit Klappkamera-Verschlüssen ist, daß die Kameras oft seit Jahrzehnten nicht benutzt wurden, und das kann zum Verharzen oder Verkleben der Lamellen führen. Besonders häufig tritt dies bei Vario-, Pronto- und Prontor-Verschlüssen auf, bei Compur- und Tempor-Verschlüssen seltener.

Der Auslöser

Der Auslöser stellt die Verbindung zwischen Photograph und Verschluß her und ist daher wichtig für die ergonomische Handhabung der Kamera. Einfache Kameramodelle haben nur ein Hebelchen am Verschluß, das zu betätigen ist; wer damit nicht zurecht kommt, kann gelegentlich (bei längeren Zeiten) die Kamera ungewollt bewegen (verreißen) und damit das Bild unscharf werden lassen. Bei fast allen besseren Kameramodellen befindet sich der Auslöser im Kameragehäuse und ist mit dem Verschluß über ein faltbares Gestänge verbunden. Manche Kameramodelle lassen auch die Befestigung eines Drahtauslösers im Auslöseknopf zu (etwa Agfa Isolette II im Gegensatz zur Agfa Isolette I), bei anderen Kameras wiederum kann der Drahtauslöser nur direkt am Verschluß angebracht werden. Voigtländer hat bei verschiedenen Bessa-Modellen einen Klinkenmechanismus, der die Handhabung und Auslösung der Kamera im Hoch- und Querformat vereinfacht.

Blitzsynchronisation

Einige Vorkriegs- und fast alle Nachkriegsverschlüsse haben einen Blitzkontakt, der auch für alte Elektronenblitze geeignet ist. Manche haben auch noch die M-Synchroneinstellung für die Verwendung von Blitzlampen. Bei Elektronenblitzen kann eine beliebige Verschlußzeit eingestellt werden, je nach gewünschtem Umgebungslichteinfluß.

Doppelbelichtungssperren

Doppelbelichtungssperren wurden erst in den 50er Jahren eingeführt. Aber nicht alle Kameras haben das! Da muß man sich schon merken, ob man schon transportiert hat und ob man noch spannen muß. Es wird gelegentlich empfohlen, wegen der manchmal nicht optimalen Filmplanlage erst kurz vor der nächsten Aufnahme zu transportieren.

Kameras mit Doppelbelichtungssperre haben entweder eine (in der Geschichte ihrer Designentwicklung sichtbar später hinzugekommene) Sperrmechanik, so etwa Kameras von Zeiss Ikon, bei der ein kleines Kästchen unter dem Filmtransportknebel auch den kameraseitigen Auslösknopf umschließt, oder die Auslösesperre ist bereits im Gehäuse integriert, wie bei der Agfa Isola. In beiden Fällen zeigt ein kleines Fenster neben dem Auslöser an, ob Auslösebereitschaft besteht.

4.4 Der Sucher

Nur in seltenen Fällen wird man mit dem Sucher einer Klappkamera glücklich. Es gibt verschiedene Suchersysteme, die auch an einer Kamera kombiniert vorzufinden sind.

Rahmensucher

Sehr häufig ist der Rahmensucher oder Klappsucher anzutreffen. Er besteht aus zwei kleinen Blechrähmchen, die aufgeklappt den Pyramidenschnitt darstellen sollen, durch den auch die Kamera die Welt sieht. Problematisch ist bei den meisten Suchern, daß man selten wirklich weiß, ob man bereits die Füße oder die Köpfe abgeschnitten hat.


Der Rahmensucher oder Klappsucher dieser Belfoca ermöglicht schnelles, aber ungenaues Zielen. Er springt meistens auf Knopfdruck mit dem Kameravorderteil auf.


Wenige besser ausgestattete Kameras verfügen über ein Linsensystem nach dem Prinzip des umgekehrten Galilei'schen Fernrohrs im Rahmensucher, so daß man einen besseren Eindruck des Bildwinkels der Kamera erhält.


Der Rahmensucher einer Zeiss Ikon hat ein Linsensystem, so daß die Kamera wesentlich genauer ausgerichtet werden kann.



Der Rahmensucher dieser Ercona springt zusammen mit dem Kameravorderteil auf Knopfdruck auf. Neben der Linsenoptik hat er außerdem eine einschwenkbare Blende im Sucher, um den Durchblick an die variable Bildgröße anzupassen. Nach Freigabe durch den kleinen Schieber an der rechten Seite der Sucherbasis klappt diese Blende in den Strahlengang.


Brillantsucher

Der Brillantsucher stellt eigentlich schon fast den funktionalen Übergang zur zweiäugigen Spiegelreflexkamera dar, denn das Sucherbild wird über eine Sammellinse und einen Spiegel verkleinert auf eine winzige Mattscheibe mit Vergrößerungslupe projiziert. Die Brillantsucher sind häufig drehbar angebracht, um die Bedienung der Kamera von oben und von der Seite zu ermöglichen. Benutzt die Kamera ein nicht-quadratisches Bildformat, so sind im Brillantsucher Ecken eingeblendet, die die Begrenzung des Bildausschnittes andeuten sollen. Man kann mit dem Brilliantsucher ziemlich unauffällig fotografieren, da man die Kamera nur vor den Bauch halten muß und nicht vors Auge.

Ein gut geputzter Brillantsucher kann mit einiger Übung durchaus zum schnellen Ausrichten der Kamera benutzt werden und stellt eine brauchbare Alternative zu Rahmen- und Sportsuchern dar.

Zeiss Ikon bezeichnet den Brillantsucher auch als Aufsichtssucher und verwendet beide Bezeichnungen nebeneinander.


Der Brillantsucher oder Aufsichtssucher ermöglicht den Einblick von oben und ist meistens drehbar angebracht.


Sportsucher

Der Sportsucher ist der einfachste aller Sucher. Das Funktionsprinzip ist das gleiche wie das des Rahmensuchers, allerdings werden die Kanten hier durch große, klappbare Drahtrahmen realisiert, die über ein aufklappbares Korn anvisiert werden. Ein gut geputzter Drahtrahmen ziert die Kamera, gibt aber auch nur eine ungefähre Hilfe zum Einstellen der richtigen Richtung.


Der Sportsucher, hier an einer Agfa Standard , ermöglicht mit Hilfe eines aufschwenkbaren Korns eine schnelle Orientierung, taugt aber nur mit viel Übung zur Bestimmung des Bildhinhalts.


Durchsichtsucher

An den allermeisten Klappkameras ist der Durchsichtsucher nur ein düsteres Löchlein, das auch durch Putzen nicht viel an optischer Leistung gewinnt. Da hilft meist nur Abnehmen des Oberteils und gründliches Putzen auch der Innenflächen. Man hat jedoch bessere Chancen als mit einem Sportsucher, den richtigen Bildausschnitt zu erwischen. Nur die chinesische Seagull 203 hat einen Leuchtrahmensucher mit einigermaßen exakter Bildfeldbegrenzung.


Der Durchsichtsucher, hier an einer chinesischen Hongmei , erlaubt im Prinzip die beste Bestimmung des Bildfelds, ist allerdings oft bis zur Unbrauchbarkeit verschmutzt.


Meßsucher

Nur wenige Kameras verfügen über echte Meßsucher. Die bekanntesten sind die Zeiss Super Ikonta und ihre russischen Nachbauten (Moskwa 2, 4 und 5), die Agfa Super-Isolette (und ihr chinesischer Nachbau Seagull 203) sowie die Certo Six aus der DDR.

Da die mechanische Kopplung zwischen Objektivverstellung und Kameragehäuse sehr aufwendig ist, wird bei der Super-Ikonta und ihren Nachbauten auf interessante Ersatzkonstruktionen zurückgegriffen. Im Strahlengang des Suchers befinden sich vorn am Objektiv zwei kleine Drehprismen, deren Verstellung synchron mit der Objektivverstellung läuft. Die Verstellung beeinflußt das Sucherbild so, daß es bei einer gewählten Entfernung dann scharf bzw. frei von Doppelbildern wird.


Manche Kameras bieten eine Kombination verschiedener Suchersysteme. Die Plaubel Makina hat einen Sportsucher sowie einen Klappsucher mit Optik, außerdem noch einen Meßsucher für die Entfernungseinstellung (der schmale Kasten auf dem hinteren Korpus). Der optische Klappsucher weist als Besonderheit eine Parallaxenkorrektur für Nahaufnahmen auf. Erreicht wird die Korrektur durch die entfernungsabhängige Höhenverstellung des Okulars (die gegenstandsseitige Optik steht fest).


4.5 Der Balgen

Der Balgen ist das technologische Herzstück der Faltbarkeit. Ohne ihn wäre es gar nicht möglich, die Kamera auf die kompakten Taschenmaße zu reduzieren, die diese Kameras so attraktiv machen.

Winfried Büchsenschütz schrieb:

Warum ausgerechnet die Balgen der Isoletten (und wohl auch anderer Agfa-Balgenkameras) so schnell rissig werden, weiß ich auch nicht. Jedenfalls haben andere Hersteller bei 6x9/6x6-Balgenkameras auch keine echten Lederbalgen verwendet, die würden nämlich ohne regelmäßige Pflege auch hart und anschließend rissig (laß mal einen Lederschuh 10 Jahre ohne einschmieren rumstehen). Alle Balgen, die ich kenne, bestehen aus drei Schichten: innen meist Textil (oder ein faseriges Papierzeug), dann eine Einlage aus steifen Kartonstreifen, außen ein Überzug aus einem Synthetikmaterial (synthetische Kunststoffe gab es auch schon vor WWII). Ich hab mal irgendwo gelesen, daß Agfa seine Balgen von einem englischen Hersteller bezogen hat.

Durch die Volumenänderungen beim Öffnen und Schließen dieser Kameras entstehen Luftdruckänderungen, die nach Peter Müller zum sogenannten Pumpeffekt führen können, besonders wenn der Balgen zu schnell herausklappt. Die Kamera kann Staub ansaugen, und in ungünstigen Fällen soll auch die Planlage des Films ungünstig beeinflußt werden. Manche Kameras haben zur Verhinderung dieses Effekts lichtdichte Luftlabyrinthe, jedoch sind die meisten einfachen Modelle so einfach gebaut, daß immer irgendwo, z.B. an der Durchführung der Spulenachsen, Luft in das Gehäuse strömen kann.


Weiter Zurück Inhalt